Gerlinde Kaltenbrunner aus dem Everest Nordwand Basislager

Liebe Freunde,

Soviel vornweg: es geht uns gut und unsere Akklimatisation schreitet gut voran. Seit 12.April abends sind wir in unserem vorgeschobenen Basislager auf 5550m.

Kaum mehr konnten wir es erwarten, wieder in Kathmandu zu landen.
Die zwei Tage in Kathmandu hatten wir wie immer viel zu tun. Die Luftfracht kontrollieren, restliches Material in unserem Store bei der Agentur zusammen zu packen, letzte Einkäufe….
Von Deutschland aus hatten wir uns bereits mit Miss Hawley zum Mittagessen verabredet. Wir waren erleichtert, sie in “alter Frische” wiederzusehen. Es geht ihr mit ihren inzwischen 86 Jahren gut und sie ist nach wie vor 100%ig bei der Sache. Wie immer wollte sie genau wissen, was wir vorhaben, wann zu wie´vielt und wie lange.

Am zweiten Nachmittag nahmen wir uns Zeit, wieder einmal die Altstadt von Kathmandu zu besuchen. Seit etlichen Tagen hatte die Müllabfuhr gestreikt, dementsprechend sah es auf den Strassen und es stank vielerorts grausig. Zum Glück war der Streik am nächsten Tag vorbei und die Putzkolonnen kehrten eifrig die Strassen sauber.

K2 2009, Zum Teil Blankeis mit dünner Schneeauflage, Foto: D.Göttler

K2 2009, Zum Teil Blankeis mit dünner Schneeauflage, Foto: D.Göttler

Am 04. April sehr früh starteten wir mit einem Bus Richtung tibetischer Grenze. Jetzt konnte es so richtig losgehen. Wir freuen uns beide sehr, dieses Mal nur als Zweierteam gemeinsam mit unserem langjährigen Koch Sitaram zum Everest zu fahren. Aber erst noch mussten wir die Grenze bei Zangmu gut passieren. Wir waren eine der ersten Gruppen dieses Frühjahr, dementsprechend streng und genau kontrollierten die Grenzbeamten unsere gesamte Ausrüstung.
Um 17.00 chinesischer Zeit ( 5.45 Std. vor MEZ ) betraten wir Tibet.
Den noch jungen, inzwischen zuständigen Verbindungsoffizier für den Grenzübertritt kennen wir schon seit vielen Jahren, umso mehr freuten wir uns, ihn wieder zu sehen.
Zeitgleich mit uns reisten 3 spanische Bergsteiger ( Jesus, Pedro und Alfredo) sowie Rolf Eberhardt und Andreas Sippel, die am Nordostgrat unterwegs sein werden an.
Am nächsten Morgen fuhren wir mit einem Jeep weiter nach Nyalam. Wir staunten nicht schlecht, dass die gesamte Strecke asphaltiert bzw. zum Teil betoniert war. Statt der früher üblichen 3,5 Std. Schlaglöcherfahrt benötigten wir nun nur mehr 1.5 Std.!!
In Nyalam auf 3700m trafen wir unseren langjährigen Freund Tashi. Seit über 20 Jahren ist er Mittelsmann zwischen den chinesischen Behörden und den ausländischen Bergsteigern. Zur Eröffnung seines neuen Hotels gab er Abends ein Fest bei tibetischem Tanz und Lagerfeuer.
Unsere erste leichte Akklimatisationswanderung unternahmen wir auf eine 4500m hohe Erhebung gleich hinter Nyalam. Von dort oben hatten wir einen imposanten Blick auf die Berge der Gaurishankar Gruppe und den Jugal Himal südöstlich des Shisha Pangma.
Noch eine weitere Nacht zur besseren und langsamen Höhenanpassung verbrachten wir in diesem kleinen Ort bevor wir am nächsten Tag weiter auf asphaltierter!!! Strasse über den 5050m hohen Lalung Lee Pass nach Tingri fuhren. Für das Frühjahr überraschend trockene Luft erlaubte uns einen glasklaren Blick in die Shisha Pangma Nordflanke.
Tingri ist ein mittlerweile großes Dorf auf 4200m gelegen. An die großen Scharen von bellenden Hunden mussten wir uns erst wieder gewöhnen.
Immer mehr vermischt sich die tibetische mit der chinesischen Kultur und Lebensart. Wir begegnen Tibetern telefonierend auf ihren Motorrädern. Anstelle der traditionellen Bambusrohre zur Zubereitung von Buttertee wird inzwischen einfach der elektrische Mixer in Betrieb genommen. Auch hier zieht langsam die Moderne ein.

Auf halbem Weg ins Basislager besuchten wir noch ein tibetisches Dorf namens Zombuk mit den typischen Flachdachhäusern eng aneinander geduckt. Eine Bekannte hatte uns Geld für die von ihr initiierte Schule mitgegeben, das wir an dieser Stelle übergeben haben. Vier kleine Klassenzimmer gibt es, in denen im Moment 35 Schüler von einem chinesischen Lehrer unterrichtet werden. Ohne Engagement dieser Münchner Bergsteigerin in Zusammenarbeit mit Eco Himal würde hier immer noch Analphabetismus vorherrschen.

Auf holpriger Schotterstrasse ging es die letzten eineinhalb Stunden bis zum sogenannten Chinese Basecamp auf 5200m.
Über Allem dominierte die so beeindruckende Nordwand des Mount Everest. Die fast 3000 Meter hohe Wand lässt einem vorerst das Herz fast in die Hosentasche rutschen.
Deutlich weniger Expeditionen als im Jahr 2005, als wir uns gemeinsam mit Hirotaka schon einmal am Everest versuchten, waren diesmal auf dem Zwei-Fußballfelder-großen Platz anwesend.
Internationales Hallo – gute Bekannte von überall aus der Welt sind eingetroffen. Am zweiten Basislagertag besuchten wir das Kloster Rongbuk, wo wir bereits unsere Pusha für den Everest feiern konnten. Spät am nächsten Vormittag kam der chinesische Verbindungsoffizier mit drei Helfern und unseren Yakpa´s sowie 8 Yaks. Das gesamte Gepäck und Essen für die kommenden 6 Wochen wurde abgewogen und gerecht auf die Yaks verteilt.
Sehr langsam kamen wir auf den unwegsamen Schotterhängen voran. Nur selten steigen Bergsteiger am zentralen Rongbuk Gletscher auf.
Unsere Bewunderung für die Yaktreiber mit ihrer grenzenlosen Geduld für ihre Viecher ist endlos. Pfeifend und singend trieben sie ihre Tragtiere stundenlang voran.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die uns vertraute kleine Mulde auf 5550m. Angekommen! Wegen der Kälte bauten wir nur noch das Küchenzelt und unser kleines Biwakzelt auf. Ein Yakpa holte einen Kanister voll Wasser vom 20 Minuten entfernten Gletscher, Sitaram kochte noch einen Topf voll Nudelsuppe und schon bald lagen wir in unseren Schlafsäcken. Mitten in der Nacht geweckt wurden wir durch ein starkes Gewitter das unmittelbar über uns niederging.

Am nächsten Morgen verabschiedeten sich die Yaktreiber mit ihren weißverschneiten zotteligen Tieren von uns. Plötzlich wurde es hier – nur mehr zu dritt – völlig still und einsam. Was wir als sehr angenehm empfinden!
Die letzten beiden Tage haben wir uns hier gut und gemütlich eingerichtet. Heute Morgen kam der Bruder eines Freundes von Sitaram herauf. Er wird ihm in den nächsten Tagen Gesellschaft leisten und unterstützen. Inzwischen besucht uns auch täglich eine 6 köpfige „Himalaja – Schneehuhnfamilie“.
Die Blauschafe von 2005 haben sich bisher noch nicht blicken lassen. Aber vielleicht ist es noch zu früh. Letzte Nacht hatten wir hier auf 5550 – 10 Grad. Der Frühling darf kommen.

Voraussichtlich werden wir am 17.04. zum ersten Mal zum Fuß der Everest Nordwand aufsteigen. Dort möchten wir unser großes Ziel zwei Tage lang aus der Nähe beobachten und uns gleichzeitig weiterhin gut zu akklimatisieren.

Für Heute senden wir euch ganz herzliche Grüße aus dem Everest Nordwand Basislager!

Gerlinde und Ralf

[via sportkommunikation kaltenbrunner – www.gerlinde-kaltenbrunner.at]

2 Gedanken zu „Gerlinde Kaltenbrunner aus dem Everest Nordwand Basislager“

  1. Lisa Gadenstätter

    Liebe Frau Kaltenbrunner, wir waren am 7. April im Basislager – den Mount Everest zum ersten Mal in Natura zu sehen war beeindrucken! Ich hätte ja sehr gehofft, Sie zu treffen, aber leider 😉
    Ich wünsche Ihnen viel Glück und seit ich zum ersten Mal in einer Höhe von 5200 Metern war, bewundere ich Sie noch mehr für Ihre Leistungen. Alles Gute, Lisa Gadenstätter

  2. christine hohlfeld

    Liebe Gerlinde, Ihnen und Ihrem Mann – schön, daß Sie gemeinsam gehen – wünsche ich von Herzen die besten Bedingungen für einen erfolgreichen Aufstieg zum Everest! Ihre Begeisterung für die Berge ist ansteckend, auch Ihr Bericht aus dem Basislager ist direkt zum Miterleben – 3000 Hm sind schon gedanklich erschreckend!
    Heute kam die Meldung über die Koreanerin, aber deren Leistung ist wohl kaum mit Ihrer „echten“ Art des Bergsteigens zu messen. Alle guten Wünsche aus dem Chiemgau
    Christine Hohlfeld

Schreibe einen Kommentar