Interview mit Gerlinde Kaltenbrunner

Gerlinde spricht über den Everest und ihre nächsten Ziele und verrät, was Bergsteigen mit dem Leben zu tun hat

Liebe Gerlinde, wie wird man „Bergsteigerin“? War das ein Kindheitstraum?

Mein Kindheitstraum war es nicht. In den Bergen war ich aber schon sehr bald unterwegs.
Nach meiner ersten Achttausenderexpedition haben mich mitunter die ganz hohen Berge nicht mehr los gelassen. 2002 nach der Besteigung des Manaslu habe ich mich intensiv damit auseinandergesetzt, irgendwann Profibergsteigerin werden zu wollen.

Du hast 12 von 14 8.000ern bestiegen, darüber hinaus viele andere schwierige Routen erklettert. Was zieht Dich immer wieder hinauf, trotz Gefahren?

Bergsteigen ist meine ganz große Leidenschaft. Die Begeisterung für die Berge habe ich schon von Klein auf in mir und wurde im Laufe der Jahre immer stärker…
Das eine sind die großen Strapazen, die Gefahr, die Entbehrungen. Gegenüber stehen jedoch so unglaublich schöne, intensive Momente, aus denen ich sehr viel Kraft schöpfe. Diese Momente sind es, die ich in mir trage und die mich immer wieder zu den hohen Bergen zurückziehen.

Gab es Zeiten in deiner Bergsteiger-Karriere, in denen Du am liebsten alles hingeschmissen hättest?

Nein, nie.

Welcher Gipfel ist Dein nächstes Ziel und wann geht es los?

Mein Mann Ralf und ich starten am 30. März nach Kathmandu. Anschließend geht es über die chinesische Grenze nach Xangmu und von dort zur Nordseite des Everest.
Das Supercouloir, welches sich aus dem Japaner und Hornbein Couloir in der Nordwand zusammen setzt ist eine wunderschöne direkte Linie bis zum Gipfel. 2005 wollten wir diese Route bereits versuchen, damals hatten die Verhältnisse gar nicht gepasst. Heuer probieren wir es erneut und hoffen natürlich, dass es klappen wird.

Everest Nordwand mit Routenverlauf, Foto: Ralf Dujmovits - amical.de

Everest Nordwand mit Routenverlauf - Foto: Ralf Dujmovits - amical.de

Was hat Dich das Bergsteigen über das Leben gelehrt? Mit anderen Worten: welche Erkenntnisse oder Stärken erwirbt man dabei, die man auch im „normalen Leben“ anwenden kann?

Durchhaltevermögen, Geduld, Disziplin, Willensstärke, Entscheidungsfähigkeit, gutes Einschätzungsvermögen bei sich selbst, den Teamkollegen und der Umstände am Berg, Grenzen erkennen… eine ganze Menge also!

Was unterscheidet einen weiblichen Bergsteiger von einem männlichen?

Aus eigener Erfahrung hören Frauen mehr auf ihren Körper, gehen oft sensibler mit Warnsignalen um und entscheiden dadurch oft anders.

Bergsteigen ist traditionell ein klassischer „Männersport“. Findest Du es manchmal schwer, von Deinen männlichen Kollegen akzeptiert zu werden?

Lange war das kein Thema für mich. Im Rückblick kann man schon sagen, dass ich lange Zeit nicht wahrgenommen wurde. Am Nanga Parbat hatte eine kasachische Gruppe ein Problem damit, dass ich eine Frau bin. Ich wollte mithelfen beim Spuren, doch die Kasachen akzeptierten das nicht. Da bin ich einfach aus der Spur getreten, habe mich vor den Kasachen wieder eingereiht und habe dann die Spur getreten.
Heute werde ich voll akzeptiert.

Was tust Du in Deiner Freizeit am liebsten?

Ich lese sehr gerne, wir gehen öfter ins Kabarett oder in ein Konzert ins nahe gelegene Festspielhaus Baden-Baden…..

2009 - Beim Anmarsch zum Lhotse - Foto: David Göttler

2009 - Beim Anmarsch zum Lhotse - Foto: David Göttler

Gerlinde, Du engagierst Dich stark für die Nepalhilfe. Was braucht Nepal am dringendsten und wie können wir Europäer das Land unterstützen?

In Form von Bildung können wir dem Land sehr viel geben. Schon seit langer Zeit arbeiten mein Mann Ralf Dujmovits und ich mit der Nepalhilfe Beilngries zusammen. Zum Beispiel unterstützen wir den Bau von Schulen. Zusammen mit der Nepalhilfe konnten wir so letztes Jahr im Mai eine große Schule in Thulosirobari eröffnen, einem kleinen Dorf etwa 3-4 Autostunden nordöstlich von Kathmandu entfernt.

Was kommt nach den ganzen 8.000ern? Hast Du Dir darüber schon Gedanken gemacht?

Im Moment konzentriere ich mich nur auf mein nächstes großes Ziel, die Everest Nordwand. Wenn bei dieser Expedition alles gut läuft, lege ich meinen Focus auf den K2.
Es muss immer alles perfekt zusammenpassen, um gut rauf und vor allem wieder runter zu kommen.

Und danach: Es gibt weltweit noch so viele Ziele, die Ralf und mich reizen … zum Beispiel eine Expedition zum Südpol, die vielen noch unbestiegenen Sechs- oder Siebentausender, oder auch noch einmal zum Nanga Parbat auf einer anderen Route…..

Liebe Gerlinde, wir danken für das Gespräch und drücken die Daumen für die Everest Nordwand.

Weitere Informationen:

K2 2009, Zum Teil Blankeis mit dünner Schneeauflage, Foto: D.Göttler

K2 - 2009 - Zum Teil Blankeis mit dünner Schneeauflage - Foto: David Göttler

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