Diesmal ULTRALIGHT – ein Erfahrungsbericht

Der denkwürdige Tag war vor etwas mehr als zwei Jahren. Es sollte für ein sechs Tage auf eine Tour in den Harz gehen. Den Rucksack gepackt und – wieder abgestellt. Diesmal – diesmal versuche ich es anders, sagte ich mir.

Ich war zwar ein erfahrener Outdoorer, hatte bis dahinschon tausende Kilometer auf Long Distance Trecks hinter mich gebracht und wusste im Allgemeinen recht genau, was ich ruhigen Gewissens zuhause lassen konnte – aber irgendwie ärgerte mich das unvermeidliche Endgewicht des Rucksacks dann doch immer wieder. Sich richtig frei bewegen zu können wäre manchmal schon schön.

Kein eingefleischter Outdoor-Fan kommt darum herum, vom Thema UL – Ultralight Hiking – nicht schon zumindest einmal gehört zu haben. Einen ernst gemeinten Versuch wagen allerdings dann doch die wenigsten – die Minimalismus-Grenze, so glauben viele, ist auch die unterste Grenze der Sicherheit und des Komforts. Was aber so überhaupt nicht stimmt.

Um es gleich vorweg zu sagen: Es war insgesamt eine recht denkwürdige Tour durch den Harz. Und es war der Beginn einer neuen Ära für mich.

Was soll ich bloß packen?

Das Zusammenstellen der Ausrüstung für den probeweisen Ultralight-Treck fällt mir schwer – was vor allem am Material liegt. Mein Schlafsack, mein Leichtzelt, die Isomatte – alles viel zu schwer. Allein das Gewicht dieser Teile überschreitet schon mein gesetztes Ziel von 5 Kilogramm ohne Verpflegung und Wasser. Irgendwie ist sogar der Rucksack selbst schon zu schwer.

Glücklicherweise bietet sich hier Abhilfe: Mein Kumpel Theo, der mich öfter einmal auf längeren Touren begleitet, ist ein eingefleischter Minimalist – und deshalb auch schon seit Jahren ein wahrer Ultralight-Freak. Ich habe das immer ein wenig belächelt, auf unseren gemeinsamen Touren, ihn aber auch ab und an beneidet für sein leichtfüßiges Gehopse auf den Wegen, während mir die Füße weh taten. „Das sage ich dir doch schon seit Jahren“, begrüßt er mich schon an der Wohnungstür und führt mich gleich darauf in seine geheiligte Ausrüstungskammer, in der Übergewicht die einzige Todsünde ist.

Um es kurz zu machen, eine Stunde und viele Erklärungen später stehe ich dann mit einem etwas verlängerten Quilt, einem Tarp und einer etwas filigran wirkenden Matte – oder besser so etwas wie einem Mattengerüst – und einem Leichtrucksack samt einer darin befindlichen ultraleichten Daunenjacke unter dem Arm wieder auf der Straße. Die Sachen werden sich gleich auf der Tour bewähren müssen – oder eben nicht – denn schon am nächsten Tag soll es losgehen.

– Was ein Quilt ist? Nun – so eine Art halber Schlafsack: wenn man in einem herkömmlichen Schlafsack liegt, komprimiert man durch sein Körpergewicht den unteren Teil, der dann ohnehin nicht wärmt, darum ist dieser Teil bei einem Quilt gleich weggelassen. Er ist ein Schlafsack, der einfach über die Isomatte geschoben wird. Man schlüpft von oben hinein und kann ihn am Hals dicht schließen. Von unten wärmt dann die Matte. Ich kannte so etwas zuvor auch nicht. Ist aber tatsächlich unglaublich leicht und unglaublich warm.

Keine Angst vor Skeptikern

Die erste Frage, die mich erwartet – und tief trifft – ist die von Michael, meinem Wanderkollegen, als ich am Treffpunkt ankomme. „Wo ist dein Rucksack? DAS? Du scherzt, oder?“ Immerhin habe ich aber mein angepeiltes Maximalgewicht sogar unterschritten. Ich zucke die Schultern und denke mir, zur Not muss ich halt eben improvisieren.

Das Wetter ist schön, aber schon herbstlich, das bunte Laub unter den Füßen macht den Tag irgendwie noch schöner. Wir kommen auf der geplanten Strecke gut voran.

Kochen wie die Hobos

Firebox Folding Stove

Abends gibt es dann erst einmal Tee – ich werfe meinen Hobo-Ofen an, vier zusammengesteckte Blechplatten, die so eine Art Kinderlaterne bilden. Die Kinderlaterne wird nach dem Anzünden mit Holzstückchen, Ästchen und Moos gefüttert und brennt sauber und vor allem ziemlich kräftig. Wohl fast ein ganzes KW Heizleistung. Das Teewasser in der fragil wirkenden Blechschüssel ist jedenfalls im Nu heiß, die Schüssel unten kohlrabenschwarz. Nach dem Kochen des Abendessens dann noch mehr – aber Ruß lässt sich abwischen.

Ich ziehe mit nur den Quilt um die Schultern, halte den Ofen am Brennen, die Jacke brauche ich nicht auszupacken. Der Hobo-Ofen wärmt ausreichend. Und Brennmaterial gibt es immerhin rund um mich genug. Das Abendessen kommt aus der Tüte, aber daran habe ich mich auf Touren mittlerweile gewöhnt.

Die bevorstehende, sehr minimalistische erste Nacht macht mir etwas Bauchweh, aber ich lege das Mattengerüst auf ein paar gesammelte Tannenäste, spanne mein Tarp auf und krieche unter den Quilt, den ich an der Matte befestigt habe, und finde es erstaunlich bequem. Ein leichter Luftzug weht unter dem Tarp hindurch, aber das ist angenehm. Ich bin ein Teil der Natur. Und praktisch sofort eingeschlafen.

Angenehme Ruhe…

Die erste Nacht ist überstanden, ich wache morgens sehr ausgeruht und gut gelaunt auf, bereite auf dem Hobo das Frühstück. Um es gleich vorweg zu sagen – auf dieser Tour war jeder Morgen genauso wie dieser. Selbst derjenige, wo es nachts gestürmt und geregnet hat wie Hulle. Das Setup in Sachen Schlafen bietet ganz sicher keine Komforteinbuße. Eher noch im Gegenteil. Man muss eben nur wissen – oder herausfinden – wie man sein Tarp am besten aufspannt. Die Tage waren ähnlich entspannt – ich genoss es, mit insgesamt knapp sechseinhalb Kilo durch die Landschaft zu ziehen, vertauschte irgendwann auch versuchsweise die schweren Wanderschuhe mit leichten Barfußschuhen und behielt sie für den Rest der Strecke an, und freute mich auf die Abende vor dem Hobo und unter dem Tarp. Ich habe schon lange die Natur nicht mehr so intensiv gespürt wie auf dieser Tour – und das war dann auch der Wendepunkt für mich.

Wasser von oben und Wasser von unten, mal warm und mal kalt

Zwei Tage auf der Tour waren komplett verregnet, und ich mühte mich mit dem ultraleichten Poncho ab, der eklig an mir klebte, bis ich dann auf die Idee kam, das Teil auf zwei überflüssigen gebogenen Zeltstangen wie einen Regenschirm über mir am Rucksack zu befestigen. Improvisation ist alles. Immerhin liefen aber auch schon die alten Chinesen genau so durch jedes Wetter – vor viertausend Jahren. Wohl doch bewährt. Und jedenfalls recht bequem.

Ein anderer Tag hatte dafür fast sommerliche Temperaturen, während es in der letzten Nacht drastisch abkühlte. Vier Jahreszeiten in einer Woche. Für so etwas sollte man in Mitteleuropa dann eben doch kleidungstechnisch gerüstet sein.

In Sachen Outdoor-Küche und Wasserversorgung lässt sich noch das eine oder andere optimieren – mit dem Katadyn-Wasserfilter habe ich festgestellt, reicht mir eine 1,5 Liter PET-Flasche leicht aus, die ich dann unterwegs bei jeder Gelegenheit mit dem Wasserfilter wieder auffülle. Gesamtgewicht: irgendwas um die fünfzig Gramm. Einen kleinen Beutel für trockenes Holz für den Hobo werde ich mir zukünftig noch mitnehmen – nasses Holz brennt eben doch recht schlecht, und unterwegs ein paar Ästchen aufzusammeln, macht keine Mühe und kaum Tragebeschwerden. Immerhin schleppt man keine Halbliterflasche Spiritus oder eine Gaskartusche mit.

Das Fazit dieser denkwürdigen Tour

Tarp, Quilt und die leichte Matte waren für drei Jahreszeiten perfekt in Ordnung – es gab keinen Tag, an dem ich irgendetwas vermisst hätte. Ich habe auch nie gefroren und bin nie nachts nass geworden. Insgesamt wiegen alle drei dabei zusammen nicht einmal ein Kilo. Lediglich zu Daunen-Quilts muss man sagen: zwar super leicht und toll warm – aber nichts für unser Klima. Daune ist einfach zu feuchtigkeitsempfindlich und damit zu wenig robust.

Schwere Wanderschuhe braucht nur der, der auch wirklich mit schwerem Gewicht auf dem Rücken unterwegs ist – das heißt mit deutlich mehr als 15-20% des eigenen Körpergewichts. Weniger auf dem Rücken verträgt auch leichtere Schuhe, das bedingt sich gegenseitig – egal was die Wanderführer alles so zu empfehlen meinen an brutalem Schuhwerk.

Ich laufe seit meiner denkwürdigen Unternehmung im Harz die meiste Zeit mit Barfußschuhen und bin noch kein einziges Mal umgeknickt oder gestolpert. Sicherheitstechnisch sind leichte Schuhe hier ganz bestimmt unbedenklich, solange man nicht schwer schleppt. Das ist es eben.

Worauf ich aber bestimmt nicht verzichten könnte – und werde – sind, trotz des Gewichts, die Merinoklamotten. Die Plastikschlacht in allen Ehren, aber nach spätestens zwei Tagen „Funktionswäsche“ kann sich niemand mehr riechen – während Merino selbst nach einem Monat Tragen (getestet) noch immer geruchsfrei bleibt. Und besser wärmt, wenn es mal feucht wird. Das Naturmaterial Merino schlägt in jedem Fall alle noch so tollen Kunststoffteile. Und bis in die kältesten Herbstzeiten reicht ein 400er Merinopulli und die lange Merinobuxe, wenn man sich abends am Lagerfeuer noch den Quilt um die Schultern legt.

Als Ultralight-Trekker kommt man der Natur ein gutes Stück näher – man bewegt sich einfacher, bescheidener und naturnäher, nutzt oft schon mal ein Ästchen hier oder ein paar Zweige da, setzt sich eben auf einen Stein, weil die Hose ohnehin wasserdicht ist und heizt den Ofen mit Holzresten aus dem Wald. Es sind vor allem die kleinen Dinge, die am Ende das meiste an Gewichtsersparnis bedeuten, die Beschränkung aufs Wesentliche. Das hat nichts damit zu tun, dass man seine Sicherheit vernachlässigt. Aber niemand braucht ein Nähzeug, wenn es ohnehin nichts zu nähen gibt. Oder ein Handtuch, das ein halbes Kilo wiegt. Oder fünf Liter Wasser im Vorrat. Oder…

Die Entscheidung, was unbedingt nötig ist, ist dabei aber immer eine individuelle – wer gar nichts mehr mitnimmt, den nennt man dann Bushcrafter, solche Leute improvisieren praktisch nur noch, haben es dabei aber oft recht ungemütlich. Was nicht heißt, das Bushcrafting nicht auch lehrreich sein kann – aber halt eben nicht bequem.

Ultralight zu trekken ist dagegen mehr ein Komfortgewinn – es macht einen unglaublichen Unterschied im Wandererlebnis, ob man zwölf Kilo auf dem Rücken trägt oder eben nur knapp die Hälfte. Das ist der wohl eindringlichste Grund für sinnvolles und vernünftiges Ultralight Trekking. Dazu kann man wirklich nur raten.

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